MUSEO Blogparade 2012 > Beitrag aus dem Stadttheater Bern

VvonWatt – Ein transmediales Projekt für das Stadttheater Bern 

von Caspar Loesche, Bern


Das Jahr 2012 war und ist ein besonderes für das Stadttheater Bern. Wir befinden uns mitten im Fusionsprozess mit dem Berner Symphonieorchester. Das neu entstandene KonzertTheaterBern bietet vier Sparten in einem Haus, ein neues Leitungsteam nimmt seine Arbeit auf, und die dringend benötigte Gesamtsanierung des Stadttheaters am Kornhausplatz steht an.
Doch unbeeindruckt von der Umstrukturierung läuft der Theater-, Musiktheater-, und Tanzbetrieb weiter. Von künstlerischer Seite war und ist das herausragende Thema dieser Spielzeit der Bezug zu Bern und der Region. Das Schauspiel zeigt „Der Richter und sein Henker“ von Dürrenmatt und den„Altweiberfrühling“ (nach dem Schweizer Erfolgsfilm „Die Herbstzeitlosen“). Und „Looslis Kinder“ von Hansjörg Schneider greift das Schweizer Tabuthema der „administrativ Versorgten“ auf.
Auch Ballettdirektorin Cathy Marston widmet sich einem Berner Thema:

Vivienne mit Ihrem „Major“
Vivienne von Wattenwyl, die 1923/24 mit ihrem Vater Bernhard Percaval „Brovie“ von Wattenwyl auszog, um in Afrika auf Grosswildjagd zu gehen ist der Ausgangspunkt für Ihre Choreographie in der Tanzproduktion „Lions, Tigers, and Women...“.
Vivienne und ihr Vater stammten beide aus Bern und konnten das Naturhistorische Museum überzeugen, alle Kosten für den Transport der Felle aus Afrika zurück in die Schweiz zu übernehmen. Dafür überliessen die beiden alle Rechte an den Tieren dem Museum, welches im Gegenzug die Tiere präparierte und der Öffentlichkeit zugänglich machte. Auch heute noch lassen sich die Tiere in den eigens dafür gebauten Dioramen bestaunen, und der Besuch im Museum gehört für die Berner vielfach zu den liebsten Kindheitserinnerungen (natürlich neben dem Besuch des Weihnachtsmärchen im Stadttheater). Es lag aus unserer Sicht also nahe, das Museum für eine Kooperation anzufragen, was auf offene Ohren stiess:

Tänzerinnen des Bern:Ballett vor dem Löwendiorama
Sogar zum Präparationsraum des Museums bekamen wir Zutri
Cathy Marston konnte darüber hinaus noch Musiker der lebendigen Berner Musikszene für  eine Kooperation gewinnen. Aus den Berichten von Vivienne über ihre Zeit in Afrika komponierten und texteten Simon Jäggi und Pamela Méndez Songs, die von Pamelas Band live bei den Vorstellungen gespielt werden.
Perfekte Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Produktion: Lokale Vernetzung, starke Partner, attraktive Geschichte. Nur wie bewerben?

Wie bewerben?

Schon lange wollte ich mich im Transmedia Storytelling versuchen, und hier bot sich endlich die Gelegenheit. Eine starke, spannende Frau im Mittelpunkt, eine bereits niedergeschriebene Geschichte und Partner, die auch eine jüngere online-affine Zielgruppe ansprechen.

Mein Ziel war es, der Tanzproduktion einen Rahmen zu schaffen; Viviennes Erlebniswelt über digitale wie analoge Kanäle erlebbar und greifbar zu machen. Das Publikum soll bereits vor der Vorstellung in ihre Welt eintauchen können über den Kanal, der ihnen am besten entspricht. Auch wollte ich damit experimentieren, was heutzutage im Social Web für ein Theater möglich ist, selbst ohne ein grosses Budget.

Um dies zu erreichen stattete ich Vivienne mit den technischen Möglichkeiten von 2012 aus, liess Ihre Reise aber immer noch 1923/24 stattfinden. Die zweijährige Reise fasste ich zu ca. vier Monaten zusammen.

Als Grundlage dienten:
  • Das Buch „In blaue Fernen“ von Vivienne von Wattenwyl selbst.
  • Fast 100 Fotografien von Vivienne selbst, zur Verfügung gestellt vom Museum.
  • Eine Auflistung aller erlegten Tiere mit Jahr und Ort der Erlegung, zur Verfügung gestellt vom Museum.
  • Eine Karte ihrer Reiseroute durch Kenia und Uganda.

In blaue Fernen
Die Plattformen
Als Plattformen für Vivienne selbst boten sich an: Twitter, ein Blog und Google Maps.
Diese Plattformen sind einfach zu bedienen, haben eine relativ geringe Hemmschwelle (ausser vielleicht Twitter) und - das Wichtigste - die Beiträge können vorprogrammiert werden (für Twitter via Hootsuite). Mit dieser Grundlage habe ich die Freiheit, jederzeit - im Kontext von Viviennes Geschichte - mit anderen Usern in Dialog zu treten, zu relevanten Themen Stellung zu beziehen (z.B. Somalia, Kony2012) oder die Tatsache der „Zeitreise“ ad absurdum führen.
Ergänzend dazu baute ich eine Art „selfreferring network“ aus anderen Plattformen, die als weitere Multiplikatoren dienen und mir die Möglichkeit bieten, weitere relevante Themen von 2012 in die Geschichte einzubinden und Reaktionen auf Viviennes Reise einzufangen.

Storify bietet den Überblick und ist auf einer Extraseite in den Blog des Stadttheaters eingebettet. Ausserdem kann über die „notify“- Funktion via Twitter weiter Aufmerksamkeit erzeugt werden.

Pinterest liefert die Bildwelt. Neben aktuellen Bildern können Viviennes Bilder direkt aus ihrem Blog gepinnt, und dann weiter in Storify eingebettet werden.

Über das Twitterkonto des Stadttheaters wird ab dem 02.04. ein Tänzer des Balletts direkt Einblicke in die Probenarbeit geben. Über seinen Blog tut er dies jetzt schon.

Und Facebook?

Ich habe mich bewusst gegen Facebook für Vivienne entschieden. Der erste Grund gegen eine eigene Facebook Seite– ein persönliches Profil schied von vornherein aus – war der, dass es den Edge Rank enorm vermindert, wenn Posts vorprogrammiert werden.
Der zweite Grund ist die bereits bestehende starke FB-Seite des Stadttheater Bern. Da wollte ich keine „Konkurrenz“ erzeugen. Die befreundete Berner Social Media Agentur 6 Grad erklärte sich bereit, eine Gewinnspiel App zu programmieren, die wir auf der Facebookseite nutzen können. Dort werden ab dem 02.April für jede der Vorstellungen von Lions, Tigers, and Women… je 2 Tickets verlost. Über regelmässige Posts halten wir das Thema ausserdem im Bewusstsein der Facebook-Fans.

Die Verbindung zur realen Welt

Drei Postkarten mit drei Motiven konnten wir mit finanzieller Unterstützung des Museums drucken. Jede der Postkarten zeigt einen wichtigen Punkt der Reise von Vivienne. Damit sind sie direkt eingebettet in die digitale Geschichte. Mitte März, Mitte April und die letzte Mitte Mai werden diese in Bern verteilt.

Postkarte No 1 - Rückseite - die Vorderseite zeigt Vivienne mit "Major"

Einen QR-Code mussten wir natürlich auch einbauen. Auf dem Monatsplan für April und Mai findet sich jeweils ein solcher, der auf die Extra-Blogseite des Stadttheaters verweis.

Ausschnitt aus dem Monatsleporello April.
Der Flyer zur Tanzproduktion hat ebenfalls einen kleinen Hinweis auf Viviennes Twitteraktivitäten vorzuweisen.

 Vivienne zwitschert



Blog-Beitrag zur MUSEO-Blogparade „Was ist Euer herausragendes Thema für 2012?“

3 Kommentare:

  1. Lieber Caspar Loesche,

    nur ein Wort: KLASSE! Danke für diesen vielschichtigen und sehr lehrreichen Beitrag zur MUSEO-Blog-Parade 2012 des Residenzmuseums!

    Viele herausragende Themen für 2012 begleiten das KonzertTheaterBern. Absolut faszinierend ist die Bewerbung der Tanzproduktion „Lions, Tigers, and Woman…“. Transmedia Storytelling wird hier vorbildlich realisiert sowohl analog als auch digital. Danke für den Einblick warum welche Social Media Plattformen gewählt wurden und warum nicht. Selten habe ich eine derart präzise Argumentationsstruktur und Planung zum Thema Transmedia Storytelling gelesen.

    Wir wünschen viel, viel Erfolg für die bestehenden sowie bald einsetzenden Maßnahmen rund um VvonWatt!

    Sonnige Grüße aus München

    Tanja Praske
    Zuständig für den Web2.0-Auftritt des Residenzmuseums
    www.facebook.com/ResidenzMuenchen
    www.residenz-muenchen-blog.de

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Tanja,

    Vielen Dank für die Blumen!

    Ich bin sehr gespannt, wie sich das Projekt weiter entwickelt. Wir sind jetzt etwa bei der Halbzeit angekommen, und die Blogparade war ein willkommener Anlass mir auch selbst einmal wieder einen Überblick zu verschaffen. Eine Zwischenbilanz werde ich in den nächsten Tagen ziehen können und hoffe, am stART Camp im April auch etwas mehr zur Resonanz sagen zu können.

    Freue mich sehr darauf.

    Herzliche Grüsse aus Bern
    Caspar

    AntwortenLöschen
  3. Lieber Caspar,

    vielen herzlichen Dank für die Teilnahme an der MUSEO-Blog-Parade 2012!
    Hier nun unser 2. Fazit der Blogparade:
    http://www.residenz-muenchen-blog.de/?p=1562#more-1562

    Wir wünschen viel Lesevergnügen! Bin schon sehr gespannt auf deine Zwischenbilanz

    Residenzmuseum München

    AntwortenLöschen